
Isabell Glotz hier in der Brecht-Inszenierung „Kleinbürgerhochzeit“, während der Spielzeit im Jahr 2007. Foto: Klaus Reer
Schwerte. Eine Autorin, die ein Buch über eine Selbstmordattentäterin schreiben will und die Attentäterin selbst, die in den letzten Minuten vor der Explosion Zweifel bekommt. Isabell Glotz vom Theater am Fluss taucht im wahrsten Sinne des Wortes in ein Wechselbad der Gefühle, wenn sie den Monolog „Bombenfrau“ auf dem Welttheater der Straße am 26. und 27. August sprechen und spielen wird – jeweils um 19.15 Uhr in der Altstadt vor dem Bährenshaus.
Die Originalfassung stammt aus der Feder der kroatischen Schriftstellerin Ivana Sajko und wurde bereits 2004 uraufgeführt. Laut ihrer Recherche hat es bis zum Jahr 2000 insgesamt 271 Selbstmordmissionen in 14 Länder gegeben, ein Drittel der Attentäter waren Frauen. Die Zahlen werden mittlerweile veraltet sein, doch die Thematik ist aktueller denn je. „Das war auch einer der Gründe, weshalb wir uns für dieses Stück entschieden haben“, sagt Intendant Lars Blömer.
Zweifel vor dem großen Knall

Bei der Probe: Isabell Glotz als nüchterne Autorin am Schreibtisch. Foto: Nadine Przystow
Der Plot der 35-minütigen Inszenierung ist schnell erzählt: Eine Autorin schreibt an einer Geschichte über eine Selbstmordattentäterin, die Bombenfrau. Dafür recherchiert sie und entwirft ihre Protagonistin. „Das Spannende daran ist, dass wir bei dem Prozess dabei sind, wenn sie versucht, sich in ihre literarische Figur reinzudenken“, so Blömer. Lebendig wird das Szenario durch das Wechselspiel zwischen Autorin und der von ihr erschaffenen Attentäterin. Letztere will sich auf einem Empfang eines Politikers in die Luft sprengen. Genau 12 Minuten und 36 Sekunden bleiben ihr dafür noch. Sie scheint sich mit ihrer Rolle regelrecht identifiziert zu haben: „Ich bin eine Bombe. Bestehend aus 8 Kilogramm Plastiksprengstoff, 2 Kilogramm Eisennägeln und jeder Menge Kabel. Das ist meine Bauweise.“
Doch gleichzeitig reflektiert sie ihre Tat kurz vor dem großen Knall. Ist der Selbstmord ein heroischer Akt oder nur die Voraussetzung für einen solchen? Immer wieder wehrt sie ihre Zweifel ab und resigniert vor ihrem Schicksal: „Es gibt keinen anderen Ausweg.“ Gerade diese Form des inneren Monolog zeigt dem Zuschauer, dass „die Rolle zutiefst menschlich ist. Es ist kein Monster, sondern jemand, der irgendwie in diese Situation hineingeraten ist, ohne das entschuldigen zu wollen. Aber es beantwortet vielleicht etwas mehr die Frage nach dem Warum als die täglichen Nachrichten“, beschreibt Lars Blömer die Wirkung der Inszenierung.

Der Wahn der Selbstmordattentäterin. Foto: Nadine Przystow
Wechselbad der Gefühle
Sind die beiden Rollen zu Beginn noch stark voneinander getrennt, verschmelzen sie im Laufe des Stücks zunehmend. Denn obwohl die Autorin klar von der Figur der Attentäterin distanziert („Ich will mit dem, was du machst, nichts zu tun haben.“), kommt sie ihr doch gefährlich nahe. Sie selbst kann die Handlung ihrer Protagonistin nicht mehr rechtfertigen und will die Geschichte deshalb eigentlich gar nicht mehr weiterschreiben.
Es ist ein Stück, das der Darstellerin alle Emotionen abverlangt. Isabell Glotz, die seit ihrem achten Lebensjahr Theater spielt, ist im ersten Moment eine nüchterne, abgeklärte Schriftstellerin und im nächsten kämpft sie als „Bombenfrau“ mit Angst, Panik, Wut und Unsicherheit. Sie selbst macht in der Vorbereitung die Erfahrung, dass das Ausblenden von offenen Fragen und wachsender Zweifel am meisten Kraft kostet: „Ich kann die Panik vor der Explosion total nachvollziehen und gerade deshalb verstehe ich nicht, wie man sich freiwillig in so eine Situation begeben kann“, so die 42-Jährige.
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