
Schwerte/Bonn. Die deutsche Gesellschaft kennenlernen, ihre Regeln, Gesetze und die zugrundeliegenden Denkweisen verstehen. Die Gelegenheit dazu bietet die Flüchtlingsakademie Schwerte ihren Teilnehmern, die als Flüchtlinge nach Schwerte gekommen sind und nun als Vermittler zwischen den Kulturen ausgebildet werden. Dabei ist es eine Sache, die Gesetze eines Landes zu kennen und soziale Normen befolgen zu können, eine ganz andere ist es allerdings, Ursprung und somit Notwendigkeit dieser Regeln zu verstehen.
Gemeinsam mit der Projektleiterin der Flüchtlingsakademie, Anja Kiefer-Kaufmann, und unter Federführung von Pfarrer Edgar L. Born (Institut für Kirche und Gesellschaft) besuchten die Teilnehmer das Haus der Geschichte in Bonn. Hier tauchten sie ein in die deutsche Zeitgeschichte: Nachkriegszeit und Wiederaufbau, Migration und Wirtschaftswunder, Deutschland Teilung bis hin zum Mauerfall, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Globalisierung – zahlreiche Themenbereiche knüpften an die persönlichen Erfahrungen der Flüchtlinge an.
Reflexionsseminar
In einem Reflexionsseminar ließen die Teilnehmer noch einmal Revue passieren, was sie an dem Gesehenen besonders bewegt hat. Dabei beherrschten vor allem ein Thema ihre Gedanken: „Mir hat gut gefallen zu sehen, dass die Menschen das Land schnell wieder aufbauen konnten“, beschreibt Emad die Hoffnung, dass auch in seiner von Krieg und Leid geplagten Heimat bald wieder Frieden herrscht. Und Ahmad ergänzt: „Ich habe den gleichen Schmerz in Deutschland gesehen wie in Syrien, das Land in Stücken. In Deutschland haben nach dem Krieg alle Menschen zusammen am Aufbau gearbeitet. Aber in Syrien sind zu viele Gruppen.“ Roman, ein deutscher Begleiter, fasst an die Flüchtlinge gerichtet zusammen: „Ihr müsst euren Weg finden, der sicher ganz anders ist (als der deutsche).“
Nachhaltig geprägt wurden die Teilnehmer auch von der Rolle, die die Frauen beim Wiederaufbau gespielt haben. „Die Frauen haben gearbeitet, schwere Container gezogen, den Männern geholfen. Das hat mich beeindruckt“, betont Tammam. Ahmad geht noch weiter und erkennt die emanzipierende Kraft der Verantwortung: „Die Frauen sind durch den Aufbau stark geworden. Es müsste ein Denkmal geben für die Frauen, die aufgebaut haben.“
Am Pult des Bundestags
Doch nicht nur Hoffnung prägt die Gedanken der Flüchtlinge. Sarah meint auf die Frage, was ihr in besonderer Erinnerung geblieben sei: „Die Dinge zu sehen, die Menschen im Krieg gegessen und getragen haben, war interessant, was sie aus kaputten Sachen hergestellt haben. Nicht gefallen haben mir die Bilder und Zettel als Kinder von ihren Müttern gesucht wurden. Schlecht war auch, was russische Soldaten mit den deutschen Frauen gemacht haben.“ Und so nehmen alle Teilnehmer ein tieferes Verständnis für die Geschichte ihrer neuen Heimat mit, für Gemeinsamkeiten und Unterschiede – und für die Chancen, die sich ihnen in Deutschland bieten. Khaled jedenfalls betont, ihm habe am besten gefallen, „am Pult des Bundestages zu stehen. Vielleicht kann ich eines Tages dort sprechen.“