
„Wind and the whaler“: Hingabe und Energie im Rattenloch
Von Mike Borrink
Schwerte. Am Samstag (17. September) gibt sich mit WIND AND THE WHALER eine spannende deutsche Nachwuchsband im Schwerter Rattenloch die Ehre. Dort wird die Truppe aus Mannheim auch Material ihrer beiden EPs „Ocean“ und „Lions In Chains And Cities In Flames“ zu Gehör bringen. Blickwinkel Schwerte traf sich vorab mit Julien Schaffhauser, Sänger und Texter des Quintetts, zum Interview.
Julien, bitte beschreibe kurz euren bisherigen Werdegang.
Julien Schaffhauser: Unter dem Namen „Wind And The Whaler“ und der jetzigen Besetzung besteht die Band seit Anfang 2014. Unser Schlagzeuger Leif Dölle und ich waren damals als einzige aus unserer vorherigen Bandkonstellation übrig, wollten unser Projekt aber nicht aufgeben. Schnell stieß unser Gitarrist Marco Bayati über einen Aufruf von uns beiden zur Band. Dennis Borger, ebenfalls Gitarrist, lernte Leif bei einer Studiosession in Mannheim kennen und wurde so Mitglied der Truppe. Was nun noch fehlte war ein Bassist, den wir in einem Barkeeper namens Niklas Phil fanden, in dessen Bar wir uns oft herumtrieben. Somit hatten wir eine vollbesetzte Band und gleichzeitig noch jemanden, der 1A-Drinks zubereiten konnte. Perfekt.
Was macht ihr neben der Musik? Noch kann die Band sicherlich nicht als Einnahmequelle dienen.
Schaffhauser: Wir sind zumindest alle irgendwie im musikalischen Umfeld tätig, als Produzenten, Musiklehrer und Studiomusiker. Nik arbeitet außerdem wie erwähnt als Barkeeper, und zusätzlich studieren wir alle noch ein wenig (lacht).
Post- und Melodic-Hardcore ist derzeit durchaus angesagt. Wie beschreibt ihr selbst euren Stil? Auf welche Bands beruft ihr euch?
Schaffhauser: Wir bedienen eine Mischung aus Alternative Rock, Melodic Hardcore und ja, man könnte fast schon Pop sagen. Unser Ziel ist es, härtere und komplexere Musik mit eingängigen Melodien und Harmonien zu kombinieren. Somit wollen wir eine Brücke schlagen zwischen den Szenebands, die wir wegen ihrer familiären Art und ihrer sehr persönlichen Songs so lieben, und den Stadionbands, die uns durch ihre Soundgewalt ebenso in ihren Bann ziehen. 30 Seconds To Mars, Coldplay, Foo Fighters, Placebo waren sicher Einflüsse für uns. Und wer etwas tiefer eintauchen möchte, dem empfehle ich La Dispute, Circa Survive, Defeater, Lower Than Atlantis oder Deaf Havana.
Ihr nutzt wie viele andere Newcomer-Bands das Internet mit seinen vielfältigen Möglichkeiten als Werbeplattform. Ist das eine echte Chance oder geht man dort in der Masse unter?
Schaffhauser: Es ist natürlich unglaublich schwierig bei so einem Überangebot an mitunter auch sehr guten Künstlern Gehör geschenkt zu bekommen. Trotz allem kann es aber durchaus eine echte Chance sein. Früher kamen die Späher der Plattenlabels in die Clubs, um neuen Bands zu lauschen. Heute gibt es das natürlich immer noch. Allerdings hat sich der Fokus schon sehr stark auf das Internet verschoben. Gerade Facebook-Likes gelten inoffiziell gerne als Währung für potentielle Gigs. Ich beobachte aber durchaus eine Aufwärtsspirale: Je mehr Aufmerksamkeit man bekommt, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt man. Der Schlüssel ist wie bei allem die Konstanz. Dran bleiben, auf die Fans hören und spannende Inhalte verbreiten. Das ist natürlich immer leichter gesagt als getan.
In punkto Präsentation (Videos, Fotos etc.) macht ihr bereits einen sehr professionellen Eindruck. Ihr habt also durchaus Ambitionen. Welches sind eure nächsten Ziele?
Schaffhauser: Das einzige was wirklich und dauerhaft hilft ist zu spielen. Nur so entsteht eine enge Bindung zu den Fans. Ein direkter Austausch ist dabei besonders wichtig für uns. Wir wollen wissen, wie es unseren Hörern geht, was sie machen und sind im Gegenzug genau so froh, wenn sich Leute für unsere Musik interessieren. Es gibt wenig das schöner ist. Mittelfristig sind wir auf der Suche nach einer festen Booking-Agentur, langfristig nach einem Label-Zuhause, weil wir langsam aber sicher an den Punkt kommen, an dem uns externe Unterstützung sinnvoll erscheint.
Euer Bandname klingt sehr ausdrucksstark. Welche Aussage bzw. welche Bilder und Assoziationen verbindet ihr damit?
Schaffhauser: Der Name hat keine direkte Aussage. Er soll poetisch klingen, große Bilder von einem einsamen Seefahrer auf dem unendlich tiefen Meer hervorrufen, Farben wie Blau, Grau, Türkis in den Kopf bringen und ein Gefühl von Melancholie erzeugen. Wir wollten in Worte fassen, welche Gefühle unsere Musik erzeugt.
Beschreibt bitte die Unterschiede bzw. die musikalische Entwicklung, die die Band zwischen den beiden EPs „Ocean“ und „Lions In Chains And Cities In Flames“ genommen hat.
Schaffhauser: Die erste EP mit dem Titel „Ocean“ wurde noch in alter Bandbesetzung aufgenommen, aber erst in neuer Bandbesetzung veröffentlicht und gespielt. Deshalb sind wir froh, mit unserer nun zweiten Platte „Lions In Chains And Cities In Flames“ das quasi Debüt unserer jetzigen Band präsentieren zu dürfen. Für „Ocean“ hatte uns damals Gagey Mrozeck (Herbert Grönemeyer, Udo Lindenberg) freundlicherweise sein Studio zur Verfügung gestellt, um das Album dort selbst zu produzieren. Die zweite EP wurde von Benjamin Hermann (jetzt bei Chateau Studios) gemixt und zusammen mit unserem Schlagzeuger Leif Dölle produziert. Während die erste EP (bis auf „Dead Eyes“) von mir geschrieben wurde, gehen bei der zweiten EP bis auf „Ebony Hills“ die Songs auf die Kappe von Leif Dölle. Wobei jedoch immer erst die ganze Band die Songs zu dem macht, was sie sind. Teilweise beim Arrangement, teilweise inklusive Songwriting.
Worum geht es in euren Texten? Welche liegen euch besonders am Herzen und warum?
Schaffhauser: Die Texte sind meist autobiografisch und handeln von den persönlichen Erlebnissen von uns beiden Songwritern, also von Leif und mir. Dennoch steckt auch immer ein Konzept dahinter. Während in „Ocean“ die Tiefen des menschlichen Geistes behandelt und die innere Welt in uns Menschen erforscht wird, ist „Lions In Chains And Cities In Flames“ mehr nach außen gerichtet. Beispielsweise geht es in der aktuellen Single „State Of The Left Behind“ um die Folgen unseres Handelns und unserer Aussagen. Sei es gegenüber unseren Mitmenschen oder in größeren Dimensionen auf Kriege und unseren Umgang mit der Erde bezogen. Oft sind wir uns der Folgen unseres Handelns nicht bewusst und verlieren deshalb, oft ungewollt, wer oder was uns wichtig ist. In „Silent Parade“ wird dies nochmals von einem anderen Blickwinkel aus thematisiert: Wir alle sind nur Menschen und machen Fehler, zeigen aber oftmals nicht, was hinter unserer Fassade vorgeht. Das beste Beispiel: „Hey wie geht’s?“ „Gut und dir?“. Dabei hat jeder Ängste und Sorgen für die man sich nicht schämen muss. Ich bin der Meinung, dass wir uns alle selbst viel mehr lieben sollten. Dadurch ermöglichen wir uns erst einander zu lieben. Wir alle laufen mit in dieser stillen Parade. Zumindest diese Erkenntnis gibt einem doch irgendwie Mut.
Ihr seid im letzten Jahr durch die Ukraine getourt. Welche Eindrücke habt ihr von und aus diesem Land mitgenommen?
Schaffhauser: Zustande gekommen ist die Tour durch eine glückliche Fügung, bei der wir eine in Deutschland lebende ukrainische Musikmanagerin auf uns aufmerksam machen konnten. Die Ukraine-Tour war auf jeden Fall eine Erfahrung, auf die wir immer gern zurückschauen, obwohl der ein oder andere dort sicherlich wegen des Kriegszustands mit leichtem Bauchziehen hingeflogen ist. Wir wurden dort aber unglaublich herzlich empfangen und hatten sehr intensive Konzerte vor absolut enthusiastischen Ukrainern. Wir wollen auf jeden Fall wieder zurück!
Wie seid ihr auf Schwerte bzw. das Rattenloch gekommen?
Schaffhauser: Über einen Bekannten aus Dortmund, der uns über ein paar Ecken zu der Band „Kings Of Forlorn Lands“ gebracht hat. Die Jungs hatten Zeit und Lust einen gemeinsamen Gig zu organisieren und uns das Rattenloch angeboten. Da haben wir gerne Ja gesagt!
Was können Rockfans von eurem Gig in Schwerte erwarten?
Schaffhauser: Volle Hingabe und Energie!