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Böckelühr versichert: Container im Gänsewinkel „keine Dauernummer“

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Fast bis auf den letzten Platz besetzt war die Aula der Gesamtschule Gänsewinkel.

Schwerte. Nein, die Bürger-Information zum Bau der Flüchtlings-Containersiedlung im Gänsewinkel musste nicht unter Polizeischutz stattfinden. Die Uniformierten, die sich am Donnerstag in und vor der Aula der Gesamtschule aufhielten, waren zuständige Bezirksbeamte für den Stadtbezirk Gänsewinkel, die sich vorstellen wollten. Was aussah wie die Patrouille um das Schulhaus war der Versuch, sich Fußballergebnisse vom Smartphone zu beschaffen. Der Abend fand in einer wohltuend sachlichen Atmosphäre statt, viele Missverständnisse wurden ausgeräumt, viel wurde versprochen, die Kritiker der Containersiedlung blieben aber weitgehend bei ihrer Ansicht.

Moderator Pfarrer Hartmut Goerler von der Evangelischen Kirchengemeinde hatte gleich zu Beginn zu Sachlichkeit aufgerufen – und dabei blieb es bis zum späten Schluss weit nach 22 Uhr. Kurzfassung: Das Hauptargument der kritischen Anwohner, dass ihnen mit der Bebauung des Grünzugs neben der Gesamtschule Rechtssicherheit genommen wird, dass ihre Immobilien an Wert verlieren und dass anderswo im Stadtgebiet ebenso geeignete Flächen zur Verfügung stehen, wurde gekontert mit dem Versprechen des Bürgermeisters, dass die Siedlung Ende 2019 abgebaut werden muss. Darauf möchten sich einige Anwohner nun nicht mehr verlassen. Rechtsanwälte sind eingeschaltet.

Nur 80 statt 140 Menschen kommen

Die geplante Containersiedlung sollen nicht mehr 140, sondern nurmehr 80 Menschen bewohnen, darunter viele Familien. Die neuen schutzsuchenden Nachbarn leben schon Monate in den Schwerter Notunterkünften, Turn- und Fabrikhallen und sollen endlich wohnlicher untergebracht werden. Die Stadt nutzt eine Gesetzesänderung im Baurecht, die angesichts der Unterbringungsnot der Kommunen diesen erlaubt, bis zu drei Jahre auch dort Container aufzustellen, wo es der gültige Bebauungsplan eigentlich nicht vorsieht. 2019 muss die Siedlung also wieder abgebaut werden, die Flächen werden dann endlich für den Sport und die Gesamtschule zur Verfügung stehen.

Einige Anwohner – übrigens längst nicht alle – fühlen sich förmlich betrogen. Man müsse sich auch in diesen Zeiten darauf verlassen können, dass Bebauungspläne nicht einfach außer Kraft gesetzt werden. Mit einer Containersiedlung vor der Haustür sinke die Wohnqualität, es sei mit Lärmbelästigungen zu rechnen, einige fürchten um die Sicherheit vor allem ihrer Kinder, der Wertverlust ihrer Häuser und Grundstücke werde groß sein.

asyl

Bürgermeister Heinrich Böckelühr saß an der Spitze eines großen Podiums. Fotos: Martin Krehl

Bebauungsplan wird nicht außer Kraft gesetzt

Bürgermeister Heinrich Böckelühr hatte neben Fachbereichsleiter Adrian Mork auch den Beigenordneten Hans-Günter Winkler und den städtischen Baurechtexperten David Weber aufgeboten. Sie alle versicherten den Zuhörern in der bis fast auf den letzten Stuhl besetzten Gesamtschulaula, dass das Grundstück am Gänsewinkel „die ultima ratio“ der Stadt sei. Adrian Mork erklärte, man habe alle freien Flächen im Stadtgebiet geprüft, für die schnelle Bebauung eigne sich aktuell nur der in Rede stehende Grünzug. Mork: „Die Stadt kann sich nicht gegen die Zuweisungen der Menschen wehren. Ab März geht es zahlenmäßig so weiter wie im Herbst. In zehn Wochen sind dann alle unsere Hallen und Unterkünfte voll“. Der Gänsewinkel biete die Chance, die neuen Nachbarn dezentral und nicht in großen Massen unterzubringen und sie zu integrieren. Parallel dazu werde die Stadt Wohnungsbau betreiben, das werde aber dauern.

Der gültige Bebauungsplan für den Gänsewinkel werde auch nicht plötzlich außer Kraft gesetzt, erläuterte David Weber: „Wir lassen uns für die maximale Dauer von drei Jahren nur von den Festsetzungen befreien, danach gilt der Plan unverändert weiter“. Bürgermeister Böckelühr meinte, der Rat der Stadt habe das unter diesen Bedingungen beschlossen und werde „auf keinen Fal auf die Idee kommen, den Bebauungsplan nach Ablauf der Befreiuungszeit nochmals zu ändern“. Böckelühr gab den Anwohnern „meine verbindliche Zusage – das wird keine Dauernummer!“

Begrünter Wall als Sichtschutz

Fachbereichsleiter Adrian Mork erklärte weiter: Das Gelände sei weitgehend eingezäunt, zum Gänsewinkel werde es ein Tor geben, das nachts verschlossen werde. Die Container werden aufgelockert an einem Weg angeordnet, die Hauptzuwegung und der Platz beispielsweise für die Müllcontainer oder den Gemeinschaftsraum sei entgegengesetzt am Parkplatz vorgesehen. Ein begrünter Wall sei als Sichtschutz geplant.

„Wir kennen die Menschen, die wir dort unterbringen möchten, schon über Monate“, sagte Beigeordneter Winkler. Sozialarbeiter prüfen deren Mietfähigkeit u.a. mit den Kriterien Deutschkenntnisse, Sozialverträglichkeit und Integrationsbereitschaft. Das Containerdorf werde wie alle Unterkünfte von Sozialarbeitern betreut und von den Ehrenamtlichen des Arbeitskreis Asyl.

Polizei bestreift den Gänsewinkel

Hans-Dieter Volkmann ist Leitender Polizeidirektor. Volkmann lobte das Konzept der Stadt auf Massenunterkünfte mit mehreren Hundert Menschen zu verzichten: „Dort haben wir die Probleme, nicht hier in Schwerte.“ Die Unterkünfte in Schwerte „sind alles andere als ein Hort des Verbrechens“. Die Anzahl von Straftaten, die Flüchtlinge verübten, habe 2015 im Vergleich zum Gesamtaufkommen an Straftaten im Kreis Unna „im Promillebereich“ gelegen. Die Polizei werde das Containerdorf am Gänsewinkel ebenso mit Streifenwagen und Bezirksbeamten betreuen wie die übrigen Unterkünfte auch.

Als Hans-Bernd Marks vom Arbeitskreis Asyl endlich um Helfer für die Containersiedlung werben konnte, war es 22 Uhr, die meisten Besucher der Info-Veranstaltung gingen. Trotzdem gelang es den AK Asyl-Mitarbeitern eine Liste mit hilfsbereiten Bürgerinnen und Bürgern zusammen zu stellen. Vom Deutschkurs bis zu Fahr- und Begleitdiensten reicht die Palette der Einsatzmöglichkeiten.

Interessierte Helferinnen und Helfer treffen sich zu einer Vorbesprechung am Mittwoch, 6. April, in der Gesamtschule.

Schule und Schüler wollen sich übrigens tatkräftig in die Betreuung der neuen Nachbarn in den Containern einbringen.


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