
Schwerte. Die Stadt an der Ruhr beeindruckt durch eine ganz besondere Stärke: Die Schwerterinnen und Schwerter zeigen großes Interesse an der Entwicklung ihrer Stadt und bringen sich seit vielen Jahren engagiert in das Gemeinwohl ein. Und: Die Stadtverwaltung ist offen für Neues. Gemeinsam schickt man sich soeben an, das stadthistorische Quartier rund um St. Viktor über den alten Marktplatz und den Denkmal geschützten Wuckenhof enger an die Altstadt und die Rohrmeisterei anzubinden. Mit einer zentralen Kulturachse rüstet sich die Ruhrstadt für morgen. Ein „Art Hotel Schwerte“ im Wuckenhof könnte die Krönung sein.
Björn Nolte, gebürtiger Schwerter und seit Anfang 2016 Professor für Architektur und Stadtentwicklung in Bochum, hat eine Vision. Im historischen Wuckenhof an der Kötterbachstraße könnte sich dereinst ein Hotel mit Kunst und von Künstlern gestaltet etablieren. Nennen wir es „Art Hotel Schwerte“, in dem sich die Gäste im stilvollen Ambiente genussvoll entspannen können. „Einen besseren Standort zwischen den Perlen St. Viktor und Rohrmeisterei gibt es nicht“, wirbt Nolte für seine Idee. Dabei kann sich der 41-Jährige durchaus auch vorstellen, dass sich das ehrgeizige Vorhaben mit einem ortsansässigen Hotelier verwirklichen ließe.
Tiefgarage spielt zentrale Rolle
Damit nun die zentrale Kulturachse gelingt, soll eine neue, fußläufige Wegeverbindung her, die zwischen Marktplatz und Rohrmeisterei über den Wuckenhof führt. Keine Frage für Björn Nolte, „dass die Tiefgarage unter dem Markt bei alledem eine ganz zentrale Rolle spielt.“ Etwa, um die angespannte Parkplatzsituation an der Rohrmeisterei deutlich zu entschärfen und um die Besucher via Rohrmeisterei und Ruhrauen ohne Barrieren in die Altstadt zu führen. Mit einem Aufzug von der Tiefgarage auf den Markt sowie den neuen Fußwegen, zeigt Nolte weiter auf, ließen sich „ganz viele Probleme auf einmal lösen.“ Zudem könnten aufgelockerte Platzgestaltungen, in dem der grüne Daumen regiert, integriert und somit das gesamte Quartier neu belebt werden. „Klar kann ich von überall die Rohrmeisterei fußläufig erreichen“, greift Nolte entsprechende Diskussionen in der Bürgerschaft auf, „es macht aber Sinn, eine neue, direkte Wegeverbindung zu schaffen und die extrem nahe Tiefgarage unter dem Markt einzubinden.“ Die drei verbliebenen Vorschläge aus dem Wettbewerb Schwerte „Zwischen Stadt und Fluss“, über die der Planungsausschuss im Februar entscheiden will, „gehen alle in die richtige Richtung“, lobt Nolte die Entwürfe der Planergruppen.
Apropos Belebung. Nachdem der Stadteingang am Bahnhof eine gestalterische Aufwertung erfahren hat gelte es nun, das Entree in die Innenstadt aufzumöbeln, was auch das städteplanerische Handlungskonzept vorsieht, das für die Innenstadtentwicklung 2013 erarbeitet worden ist. Für die Bahnhofstraße schlägt Nolte vor, bereits im oberen Bereich Außengastronomie anzusiedeln und mehr Grün in die Straße zu holen.
Gute Grundsubstanzen in der Bahnhofstraße
Als „größten Schwachsinn“ kritisiert der Professor die Ansiedlung von Rewe und Aldi am Bahnhofsvorplatz. Anstatt diese Händler „ins City Centrum zu packen“, lenkten sie nun die Kundenströme an den Rand der Innenstadt. Für die Bahnhofstraße insgesamt gelte es, „erst grundlegende Impulse zu schaffen und nicht gleich an jeder Ecke einen Brunnen oder Bachlauf anzulegen und zu denken, damit ist es jetzt getan.“ Der bestehenden Bebauung an der Bahnhofstraße bescheinigt der Experte „viele gute Grundsubstanzen, die ausbaufähig sind.“ Zur Attraktivitätssteigerung der Ladengeschäfte wünscht er sich „die ein oder andere Außenbühne.“ Zudem zeigt Nolte die Möglichkeit auf, die Bahnhofstraße umzuwidmen und als Fußgängerzone direkt in die Hüsingstraße einmünden zu lassen, „das könnte auch C & A zu einem besseren Entree verhelfen.“
Fußgängerzone beleben
Als „Schwerter Problem“ skizziert Björn Nolte die Vorgehensweise der heimischen Planer, „an zu vielen Baustellen zu arbeiten, anstatt das Grundproblem anzupacken.“ So gelte es, dem durch die Konkurrenz Internet drohenden Ausbluten der Innenstadt entschieden entgegen zu wirken. Außerdem schien die Stadt als zentraler Ort, dem Automobil sei Dank, lange Zeit ausgedient zu haben. Im 21. Jahrhundert aber feiere die Stadt ihr Comeback, und Aufbruch und eigene Ausstrahlung seien unbedingt erwünscht. Auf dem Weg dahin schlägt Nolte vor, „den Marktplatz aufzubrechen und die Fußgängerzone mit zusätzlichen Marktständen zu beleben.“ Dabei sollten durchaus auch Anbieter von außerhalb eingebunden werden. Ohnehin könnte sich der Schwerter Wochenmarkt Anleihen zur Attraktivitätssteigerung beim Markt am Carlsplatz im Herzen von Düsseldorf holen, ein Angebot, das seinesgleichen suche: Frische, Qualität und Vielfalt, gebündelt an einem Ort. Zudem seien viele Sehenswürdigkeiten nur einen Katzensprung vom Carlsplatz entfernt. Ähnliche Verhältnisse, betont der Architekt, finde man praktisch in der Schwerter Innen- und Altstadt vor. Ganz wichtig bei alledem sei, „den Marktplatz neu zu definieren als Quartiersplatz“, als Scharnier zwischen Innen- und Altstadt und Ruhr.

Auf Tour durch die Stadt: Prof. Björn Nolte und die Schwerter Journalistin Ilka Heiner.
City Center der Schwachpunkt
Als „größten Schwachpunkt für eine neue, markante Mitte“ nennt der Stadtentwickler das längst in die Jahre gekommene City Centrum am Markt. Als eine Möglichkeit, die Immobilie in die Zukunft zu führen, schlägt Nolte vor, das Erdgeschoss aufzureißen und für eine überdachte Markthalle herzurichten. Ein alter Bau mit neuem Standard. Hilfreich könnte zudem sein, „den Grundgedanken von einst neu zu interpretieren.“ Sprich, das Gemäuer zu einem modernen Ort zu sanieren, ohne die alten Vorgaben aus dem Blick zu verlieren. Auf alle Fälle aber sollte dem City Centrum die Aufgabe zufallen, die Verbindung zwischen Kirche und Innenstadt zu schärfen. Zumal das Ensemble an St. Viktor „mit seiner handverlesenen Architektur und hohen Aufenthaltsqualität ein Pfund ist, mit dem es zu wuchern gilt.“ Ganz wichtig sei zudem, „dem Quartier einen Namen zu geben und zu einer Marke zu machen.“ Zu einer städtebaulichen Aufwertung gehörten auch die Eigentümer mit ins Boot, schließlich seien auch sie „mitverantwortlich für die Stadtentwicklung.“
Alternative Wohnprojekte
Zur weiteren Attraktivitätssteigerung der Schwerter Innenstadt empfiehlt der Planer, alternative Wohnprojekte in die Ruhrstadt zu holen. So böten beispielsweise Dachaufstockungen ein großes Potenzial, mehr und nachhaltigen Wohnraum zu schaffen und den angespannten Wohnungsmarkt zu entlasten. Bundesbauministerin Barbara Hendricks kommentiert das so: „Mit einer maßvollen Verdichtung in den gefragten Innenstadtlagen können neue Wohnungen entstehen, ohne zusätzliche Flächen zu versiegeln.“ Für all diese und andere Maßnahmen aber „muss es einen Moderator geben, der das steuert“, fordert Björn Nolte, „der Menschen mitnimmt und auch führt.“ Wichtig sei auf alle Fälle „ein ganzheitliches Konzept.“
DieKunst im öffentlichen Raum
Dazu zählt natürlich auch die Kunst im öffentlichen Raum. Und da möchte Stadtentwickler Nolte noch eine weitere Idee in die Debatte um eine schönere Stadtlandschaft einbringen: Die Skulpturenmeile der „Stiftung Kultur“ der Stadtsparkasse könnte fortgesetzt und über die neue Achse zum Rohrmeisterei-Plateau geführt werden. Schließlich habe die Sparkasse mit den skulpturalen Arbeiten von Thomas Klegin (Cava-Platz), Ingrid Langanke (Bethunestraße), Maik und Dirk Löbbert (Stadtpark) sowie Prof. Albert Hien (Postplatz) deutliche Akzente in der Innenstadt gesetzt. Auf dem Plateau an der Rohrmeisterei fände die Skulpturenmeile mit der metallenen Figur von Johan Tahon, dem Raum-Körper von Kazuo Katase und der Wasserskulptur von Rosemarie Trockel ihren (vorerst) grandiosen Abschluss. Björn Nolte: „Das muss man sich mal vor Augen führen, was schon alles da ist an Kunst im Stadtbild. Ein Pfund, mit dem man unbedingt wuchern kann!“ Und wenn dann noch dazu die „Sternstunden am Bösendorfer“ erklingen, dann sind verschiedene Disziplinen wie Musik und Kunst, Landschaftsplanung, Stadtentwicklung und Architektur zu einem stimmigen Ganzen vereint!

Prof. Björn Nolte
Der gebürtige Schwerter Björn Nolte hat Architektur in Bochum und anschließend Baukunst an der Kunstakademie Düsseldorf studiert. Zu seinen Professoren in Düsseldorf zählten Laurids Ortner, der gemeinsam mit Bruder Manfred Ortner (Ortner + Ortner) das MuseumsQuartier Wien gestaltet hat, eines der größten Kulturzentren Europas. Ein weiterer Lehrmeister war Axel Schultes, der gemeinsam mit Charlotte Frank das Bundeskanzleramt in Berlin entworfen hat. Im Aufbaustudium bei Schwertes weltberühmter Tochter Rosemarie Trockel, die ebenfalls an der Düsseldorfer Kunstakademie lehrt und in der Weltrangliste der Kunst auf Platz 4 geführt wird, konzipierte Nolte ein Künstlerhaus. Im Jahr 2005 erfolgten Bürogründungen in Bochum und Düsseldorf.
Seit Anfang 2016 unterhält Dipl.-Ingenieur Nolte eine Professur für Architektur und Stadtentwicklung an der privaten EBZ Hochschule in Bochum. Eine Hochschule unter Trägerschaft der gemeinnützigen Stiftung EBZ, Europäisches Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft.
Um die Thematik Architektur und Stadtplanung noch mehr als bisher im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern schlägt Nolte vor, einen Runden Tisch Baukultur ins Leben zu rufen.