
Schwerte. Man könnte sie auf das reduzieren, was schon 1000 Mal über sie geschrieben wurde: Anne Haigis, die Rock-Röhre. Doch das würde der 61-Jährigen nicht gerecht. Sie ist mehr als das, eine Vollblutmusikerin, eine, die mit den filigranen Möglichkeiten ihrer Stimme spielt, damit Klangwelten erzeugt auf ihrem Weg durch die Musikgeschichte und genau dort ankommt, wo alle guten Musiker landen: bei sich selbst. Das nennt man Authentizität. Sie ist sehr ausgeprägt bei Anne Haigis. Und auch damit wickelt sie ihr Publikum um den Finger.

Anne Haigis mit ihrer kongenialen Partnerin Ina Boo.
Am Freitag stand Anne Haigis in der Rohrmeisterei auf der Schwerter Kleinkunstbühne, begleitet von der musikalisch über jeden Zweifel erhabenen Ina Boo an der Gitarre und am Klavier. „Zeitgeist, Rhythmus & Visionen“ ist der Titel der 61. Schwerter Kleinkunstwochen, und da passt eine Anne Haigis abseits der gängigen Vorstellungen von Kleinkunst hin. Klar, man muss sie mögen, die Musik von Anne Haigis. Aber wenn sie einen ergriffen hat, lässt sie nicht mehr los, macht aus Zweiflern (Was hat dieses Gitarrenspiel mit Kleinkunst zu tun?) überzeugte Menschen (Ein toller,vielseitiger musikalischer Abend). Am Ende stehen die Besucher auf ihren Plätzen, sagen mit ihrem Beifall Danke Anna Haigis, Danke Ina Boo für diesen außergewöhnlichen Abend.

Am Ende begeisterten Anne Haigis und Ina Boo sogar abseits der Bühne.

Die Menschen waren angetan und spendeten stehende Ovationen.
Da stehen die beiden Musikerinnen schon lange nicht mehr auf der Bühne. Sie haben sich davor platziert, grooven nur noch stimmlich mit Unterstützung des Publikums, das ergriffen ist vom Sog der Ausstrahlung, die die Musik erzeugt – und auch die beiden Musikerinnen. Anne Haigis singt Ohrwürmer wie „Take a look at me now“ (Phil Collins) oder „Sorry seems to be the hardest word“ (Elton John) mit den Texten und Titeln von Trude Herr (Papa bzw. Nacht aus Glas). Sie wagt sich an Heintjes „Ich bau dir ein Schloss“ und wechselt nach diesem Fauxpas zu Tom Waits „Waltzing Mathilda“, erzeugt damit eine atemlose Begeisterung, sinnlich, fesselnd, ausdrucksstark, macht sich hier wie in vielen anderen Stücken auch Melancholie zu eigen und wird so zu einer Königin des Abends.