Quantcast
Channel: Blickwinkel – Das Nachrichtenportal für Schwerte
Viewing all articles
Browse latest Browse all 6062

Weibsbilderabend: Faszinierendes Leben trifft auf faszinierenden Beruf

$
0
0
Beate Schwietz, Birgit Wippermann_Foto Christel R. Radix IMG_5754

Schwertes erste weibliche Stadtarchivarin, Beate Schwietz, brachte zum Interview mit Birgit Wippermann, Anschauungsmaterial mit. Foto: Christel R. Radix

Christel R. Radix

Schwerte. Ob sie immer noch Feministin sei, wurde die mittlerweile 96-jährige Benoîte Groult gefragt: „Als ob das eine Geschlechtskrankheit wäre. Natürlich bin ich immer noch Feministin.“ Benoîte Groult, 1920 geboren, gilt seit den 1970ern als eine der bekanntesten Frauenrechtlerinnen Frankreichs. In ihrer Jugendzeit existierte der Begriff des „Feminismus“ noch gar nicht. Suzanne Bohn, Künstlerin Conférencière, unterhielt in ihrer unvergleichlichen charmanten Art, dem reizenden französischen Akzent, am Dienstagabend bestens beim Weibsbilderabend in der Rohrmeisterei, mit dem Leben der Autorin, die mit dem Roman „Salz auf unserer Haut“ bekannt wurde.

„Gusto und Genuss – gestern und heute“, das Motto der Weibsbilder-Reihe, veranstaltet von der Bürgerstiftung Rohrmeisterei und der Gleichstellungsbeauftragten Birgit Wippermann, stellte zwei Frauen in den Blickpunkt: die Feministin und Zeitzeugin Benoîte Groult und Birgit Schwietz, die als Expertin in Sachen Zeit bezeugen gilt. Sie ist Schwertes erste weibliche Stadtarchivarin und gab Einblicke in ihre Arbeit.

Katharina Wulf bereitet die Vorspeise vor. Foto: Christel R. Radix

Katharina Wulf bereitet die Vorspeise vor. Foto: Christel R. Radix

Zwischen Ziegenkäse-Tarte, einem Kartoffel-Brunnenkresse-Süppchen, Fischfrikadelle, Entenbraten und Erdnuss-Toffee-Brownies mit geschmackvollen Beilagen, servierte Suzanne Bohn den gut 100 Weibsbildern die Biografie der Französin.

Autobiografie auch Chronik des 20. Jahrhunderts

„Heute suchen die Frauen Männer für ihre Kinder, früher suchten sie Ehemänner und Ernährer.“ Die französische „Ausnahme-Feministin“ ist in einer Zeit groß geworden, in der Mädchen zu gehorsamen, sich ihren Ehemännern unterwerfenden, dazu am besten gut aussehend, erzogen wurden. Benoîte Groult war schüchtern, voller Komplexe, hatte Pickel und Lippenherpes, nicht gerade gute Voraussetzungen, sie an einen gutsituierten Mann zu bringen. Sie wurde an der Sorbonne „geparkt“, bloß nicht zu lange, den langes Studieren „mache das Mädchen hässlich“ – wohlgemerkt: nur Mädchen.

Zog die Zuhörerinnen in ihren Bann. Die Künstlerin und Conferenciere Suzanne Bohn. Foto: Christel R. Radix

Zog die Zuhörerinnen in ihren Bann:Künstlerin Conférenciére Suzanne Bohn. Foto: Christel R. Radix

Conférencière

Benoîte Groult blickt in ihren Autobiografien, die auch eine Chronik des 20. Jahrhunderts sind, auf ein bewegtes Leben zurück. Mit viel Humor, Witz und Ironie beschreibt sie ihr braves Leben, bis sie in ihrer Lebensmitte zu dem Schluss kommt, dass brav sein, nichts bringt. Als Groult von Genitalverstümmelungen erfährt, „wirkte das wie ein Elektroschock auf mich“. Das war die Geburtsstunde der Feministin Benoîte Groult.

Die charismatische Suzanne Bohn, zog die „Weibsbilder“ mit der herzerfrischenden, witzigen und humorvollen Biografie Groults, angereichert mit launigen Bemerkungen, in ihren Bann.

Stadtarchivarin ist von ihrer Arbeit fasziniert

Die zweite Frauenpersönlichkeit des Abends war die Stadtarchivarin Beate Schwietz, die von Birgit Wippermann zum Talk auf die Bühne geholt wurde. „Wie geht das eigentlich, Zeit zu bezeugen“, fragte die Gleichstellungsbeauftrage Beate Schwietz. Bei einem Archivar habe man im Sinn, dass der Beruf trocken, eintönig und einsam wäre. „So ist das ganz und gar nicht. Ich komme sehr viel mit Menschen zusammen, wie beispielsweise mit unseren „Kunden“, den Benutzern des Archivs.“ Das Gros der Nutzer seien Familien- und Heimatforscher.

Birgit Schwietz ist von ihrer Arbeit fasziniert. „Man kann historische Vorgänge anhand der Akten rekonstruieren, oder die Detektivarbeit“. Da gelte es beispielsweise ein Foto ohne Megadaten zu archivieren: „Anhand von der Kleidung, von Fahrzeugen oder Straßenschildern, kann ich herausfinden, wie das Foto einzuordnen ist“, erklärt die Stadtarchivarin. „Das Schwerter Stadtarchiv ist das Gedächtnis der Kommune. Die Stadt muss alle Akten nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist an unser Archiv geben. Diese werden dann bewertet, erschlossen, gesichert.“ Im Schwerter Stadtarchiv befinden sich beispielsweise archivische Sammlungen alter Filmrollen, Fotos oder Plakaten, Amtsbücher, wie Ratsprotokolle und Urkunden, „die älteste Urkunde in unserem Archiv stammt aus dem 16. Jahrhundert“. Gespannt hörten die Gäste den Ausführungen von Beate Schwietz zu, die nicht nur interessante Einblicke in ihre Arbeit gegeben hat, sondern auch mit dem verstaubten Image eines Archivars aufgeräumte.

Gudrun Körber, AG Frauen, Roman Bartin, Service, Hannah Angun, Serviceleiterin, Stadtarchivarin Beate Schwietz, Anna Bayer, Praktikantin in der Gleichstellungsstelle, Suzanne Bohn und Birgit Wippermann sorgten für einen rundum gelungenen Weibsbilder-Abend. Foto: Christel R. Radix

Gudrun Körber, AG Frauen, Roman Bartin, Service, Hannah Angun, Serviceleiterin, Stadtarchivarin Beate Schwietz, Anna Bayer, Praktikantin in der Gleichstellungsstelle, Suzanne Bohn und Birgit Wippermann (v.li.) sorgten für einen rundum gelungenen Weibsbilder-Abend. Foto: Christel R. Radix

Der nächste Weibsbilder-Abend findet Dienstag, 17. Mai, in der Rohrmeisterei, ab 19 Uhr statt: Clara Schuhmann und George Sand werden als Künstlerinnen, Mütter und Musen anderer Berühmtheiten von Anne Horstmann an der Querflöte und Petra Riesenweber am Piano portraitiert. Diese Liebes- und Lebensmodelle des 19. Jahrhunderts treffen auf moderne Lebensformen, mit denen die Leiterin der Psychologischen Beratungsstelle der Diakonie, Monika Fischer, zu tun hat.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 6062