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Starkmacher, Muntermacher, Lebenstüchtigkeit: Kinder an die Stifte

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Andrea Reinecke hat sich zum Thema Literaturprojekt so ihre Gedanken gemacht.

„Im Sport und in der Gesundheit spricht man von einer Schonhaltung, wenn Bewegungsmuster so genutzt werden, dass kein Schmerz auftritt. Das setzt eine Spirale in Gang, die den Gesundheitszustand verschlechtert und keinesfalls zur Heilung führt. Ähnliches kann auch im Bereich der Sprache ablaufen. Gar nicht schreiben, nur rudimentär schreiben, einfach mal Vokale entfernen oder sich dem Thema Buch und Text schlicht komplett und rotzig verweigern. Die Lücken lassen sich beliebig füllen und sind rasch verplant. Meine Erfahrungen in den Schulen zeigen, dass Text und Wort die Kraft haben Kinder zu begeistern, ihnen Schaffenskraft und eigene Kraft zu geben. Gleichzeitig macht es mich traurig, wenn Kinder aus Angst vor Fehlern zunächst ihre Hemmungen haben, vor der eigenen Idee und Kraft zurückschrecken: „Ist das GUT ist das RICHTIG!“ Das „Bauchgefühl, das ich noch beim „komisch“ geschriebenen Wort empfinde, das hat die jüngere Generation oft einfach so nicht mehr. Fehlt dann auch noch der Mut und die Haltung zu sagen was man will, dann wird es traurig und staut Energie. Da gibt es dann später keine Querdenker und Neuentdecker mehr. Wir werden sprachlos, aggresiv und fühlen uns nicht verstanden.

Selbstzweifel und die Scham, ob die eigene Erlebenswelt wohl anspruchsvoll genug und ausreichend ist, um Eingang in Geschichten zu finden, gehört sicher zu den traurigen Momenten der Arbeit und sind ein gesamtgesellschaftliches Problem. Ich stand an manchem Nachmittag beim Durchdenken fassungslos vor dem Bedarf. Die strahlenden Augen und das enorme Ventil, das sich mit den Workshops öffnen lässt, zeigt unglaublich viel Potenzial. Die Lehrerinnen und Lehrer waren – und sind – durchweg wunderbar und haben sicher im regulären Schulalltag mit der Abarbeitung des Lehrplans reichlich zu tun. So ist in den Klassen gleichzeitig ein Zusammenhalt und liebevoller Umgang miteinander zu spüren, dennoch wird ein großes Gap in den Leistungsbereichen offenbart. Die Geschwindigkeit mit der sich die Asylantenkinder einfügen ist ebenso erstaunlich wie fordernd. Das Thema Inklusion will auch bedient werden. Schule 2017 ist ein Spagat.

Ich kam als Externe in die Klassen und durfte einen unverfälschten Blick auf die Gedankenwelt und Leistungsfähigkeit der Kinder werfen. Ich bin dankbar für das Vertrauen. Die Kinder von Schwerte sind wunderbar und es wert an der Stelle Förderung, Mut und Zuspruch zu erhalten. Das stützt den Einzelnen und letztlich auch uns alle. Sprache kann so viel und die Zutaten trägt jedes Kind schon in sich. Die Arroganz und der überholte Zuchtmeister-Bildungsansatz hat dabei ausgedient und ist kontraproduktiv. In der Welt des Marketing – aber auch in allen serviceorientierten Bereichen spricht man dann auch von: Zielgruppe abholen!“


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