
Martin Kolöchter (li.) und Jürgen Ebberg vom Rotary-Club Schwerte/Ruhr gratulieren Karolin Tiemann (li.) und Ellen Reichardt zum Jugendpreis Gemeinsinn. Foto: Martin Krehl
Schwerte. Wirklich wahr: Für ein „jugendgerechtes“ Hobby bleibt den beiden jungen Frauen echt kaum noch Zeit. Ellen Reichardt und Karolin Tiemann, beide 18 und 19 Jahre alt, haben „das Ehrenamt als Hobby“, nichts von wegen mit der Clique abhängen oder chillen. Vor allem in der Flüchtlingshilfe engagieren sich die jungen Schwerterinnen in sehr beeindruckender Weise. Am Dienstagabend hat der Rotary Club Schwerte/Ruhr den beiden in Holzen den Jugendpreis Gemeinsinn verliehen.
Die fünfköpfige Jury mit Josef Bender, Egon Schrezenmaier, Detlef Grüll, Uwe Trespenberg und Jürgen Ebberg kann sich sicher sein – „da hat es die richtigen getroffen“. So war jedenfalls unisono die Reaktion vieler Mitglieder der katholischen Pfarrgemeinde St. Marien auf die Nachricht von der Preisverleihung. Karo Tiemann und Ellen Reichardt gehören quasi seit Jahren schon zum festen Stamm der Verlässlichsten in vielen Bereichen der Gemeindearbeit.
Ein absolutes Standing
Karo und Ellen – die eine hat justament gerade ihr Abitur an der Gesamtschule abgelegt, die andere plant Selbiges nächstes Jahr am RTG – sind alles andere als die grauen Mäuschen, die ihr bisschen Selbstvertrauen durch emsige Fleißarbeiten im Hintergrund nähren. Die Beiden haben absolutes standing, sie wissen, was sie wollen – und was nicht: „Es konnte nicht sein, dass den Menschen, die da nach Schwerte gekommen sind, niemand hilft“, so begründen die jungen Frauen, warum sie sich erst Hals über Kopf, dann aber mit Plan und unerhörter Hartnäckigkeit in die Hilfsaktionen für die neuen Nachbarn aus Syrien, Eritrea, dem Irak oder Nigeria stürzten. Und feste dabeigeblieben sind.
Kirchlicher Hintergrund wichtig
Inzwischen gibt es sieben Begegnungscafés für Geflüchtete in der Ruhrstadt, allesamt betrieben von ehrenamtlichen Helfern aus der Katholischen und den evangelischen Gemeinden und vielen gar nicht kirchlich-orientierten Menschen. Ellen Reichardt und Karo Tiemann ist allerdings ihr kirchlicher Hintergrund wichtig. Beide sind St. Marien-sozialisiert, von klein auf, haben in der Gemeinde schon jung an Jahren an vielen Stellen Spuren hinterlassen. Karo Tiemann gehörte zum Beispiel zur Gruppe der Jugendlichen, die den Aspekt der gemeindlichen Jugendarbeit im gerade abgeschlossenen pastoralen Erneuerungsprozess bearbeitet und wertvolle Impulse zur Pastoralvereinbarung dazugesteuert haben. Nein, fromm wollen sie nicht sein, vielleicht religiös in bestverstandenem Sinne. „Wir glauben“, heißt es dann als Erstes, wenn sie nach ihren christlichen Grundsätzen gefragt werden. Christ sein gehört zu ihrem Leben, zum Christ sein gehört für Beide der Einsatz für Mitmenschen.
Verlässlich zur Stelle
Von Berührungsängsten oder Vorbehalten den Geflüchteten gegenüber wollen weder Karolin noch Ellen auch nur irgendetwas wissen. Sie packen an, setzen sich zu wildfremden Menschen dazu, reden, beraten, lachen und spielen, opfern unendlich viel Freizeit und sind verlässlich zur Stelle. Es fing mit dem Bezug des Erstaufnahmelagers in der Halle am Stadtpark vor genau einem Jahr an – Karo und Ellen sind immer noch dabei, unverändert empathisch und engagiert. Ganze Freistunden, die zur Erholung vom Schulstress gedacht sind, schenken sie den Geflüchteten. Vormittage in den Ferien, Nachmittage unter der Woche – regelmäßig dürfen Geflüchtete, vor allem Kinder, auf dem gemeindenahen Reiterhof Holtschmidt auf der Reitanlage Sonnenregen ihren Alltag bei Pferden und Ponies verbringen, draußen in der sauerländischen Natur. Karo und Ellen stehen regelmäßig parat und helfen da draußen, bei Wind und Wetter.
Weitere Ehrenpreise verliehen
Inzwischen haben beide kleine Fanclubs von Geflüchteten, Bekannte und fast schon Freunde unter den Schutzsuchenden. Die Frauen freuen sich, wenn sie merken, dass sich ihre „Schützlinge“ entwickelt haben, schon besser deutsch sprechen, besser zurecht kommen. Dann sind sie und dürfen dann auch stolz sein auf ihre Arbeit.
Der Rotary-Jury hat zum einen das Betätigungsfeld der beiden jungen Schwerterinnen imponiert, die Flüchtlingshilfe – und zum anderen das Ausmaß der Betätigung und die Hartnäckigkeit, mit der Karo und Ellen bei der Sache bleiben. Zum 14. Mal vergaben die Schwerter Rotarier diesen Jugendpreis Gemeinsinn, im Haus Ledendecker in Holzen fand die Preisverleihung in einem sehr würdigen und dennoch entspannten Rahmen statt.
Einen Ehrenpreis bekamen Mira Aurich, 15, Mara Ebbers, 17, und Sina Schulte, 15, für die Betreuung des Flüchtlingscafés, Mithilfe im „Wellenbrecherhaus“ und bei den Patenschaften für Flüchtlinge. Alisa Ulfovich, 18, erhielt für ihr Engagement als Nachwuchstrainerin in der Schwerter Turnerschaft Abteilung Rhythmische Sportgymnastik eine Ehrenurkunde. Ein dritter Ehrenpreis ging an die 10 Teilnehmer des Pädagogik-Projektkurses der Gesamtschule Schwerte, vertreten durch Mireya Guttierez und Gamze Baydogan, beide 18, für ihr soziales Engagement im Rahmen der Flüchtlings- und Integrationshilfe. Und schließlich erhielt Berfin Karakas (18 Jahre) von der Gesamtschule für ihr Engagement in der Flüchtlingsarbeit, der Schülervertretung der Gesamtschule und der Arbeit im „Bund der Alevitischen Jugendlichen“ eine Ehrenurkunde.