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Pfarrer Held zum Antikriegstag 2016

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Pfarrer Fritz-Günter Heldt läutet die Friedensglocke in St. Viktor.

Die Rede von Pfarrer Fritz-Günter Held zum Antikriegstag 2016:

„Dieser Antikriegstag 2016 nimmt ein Highlight in den Blick! Ein Highlight für Deutschland und weltweit! Die neue Bundesregierung hat der Bevölkerung mit klaren Worten versprochen, die Kriegstreiberei durch Rüstungsexporte endlich zu beenden. Das Gegenteil musste öffentlich eingestanden werden: Die im vergangenen Jahr genehmigte Ausfuhr von Kriegswaffen und Rüstungsgütern erreichte mit knapp 13 Milliarden Euro einen neuen Höchstwert! Von Otto von Bismark stammt das Wort, es werde niemals soviel gelogen wie vor einer Wahl, während des Krieges und nach der Jagd!

Die Waffenindustrie verfügt über eine großartige Geschichte in Deutschland. Nur wenige Länder haben soviel Erfahrung in der Herstellung und Erprobung von Rüstung und Waffensystemen wie unser Land: 1914-1918 im Ersten Weltkrieg, 1918 und 1919 in der bewaffneten Niederschlagung der deutschen Demokratiebewegung durch die von der Ebert-Noske-Regierung ausgehaltenen Freikorps als Vorläufer der Nazis, 1936 in der Bombardierung Spaniens durch deutsche Kampfflugzeuge und 1939-1945 im Zweiten Weltkrieg.

Die Rüstungsproduzenten und Schießpulverhersteller haben selbst dafür gesorgt, dass ihre Waffen nicht rosteten. Am 20. Februar 1933 fanden sich 27 Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft ein, allen voran Gustav Krupp, um sich von Hitler über seine Pläne zum Aufbau einer schlagkräftigen Wehrmacht und zur Ausbeutung eines neuen Lebensraumes im Osten informieren zu lassen.

1941, also vor genau 75 Jahren, überfiel Nazi-Deutschland die Sowjetunion. Mit dem Unternehmen Barbarossa sollten die Weizenfelder der Ukraine, die Kohle aus dem Donez-Becken und das Öl von Baku aus den Händen der Untermenschen in das Deutsche Reich überführt werden. Es wurde der ungeheuerlichste und brutalste Vernichtungskrieg geführt, den die Welt je gesehen hatte. Wie viele Menschen wirklich abgeschlachtet wurden, konnte nie wirklich festgestellt werden. Seriöse Quellen sprechen von Zahlen zwischen 25 und 43 Millionen Menschen, darunter 18 bis 32 Millionen, also mehr als drei Viertel, sowjetischer Opfer. Die sowjetischen Politiker wollten immer verhindern, dass sich solch eine Erfahrung jemals wiederholt. Und die, die in Deutschland aus dem Schrecken der Kriege gelernt hatten, sagten: Nie wieder Krieg! Und, wie es in den zurückliegenden Monaten auf Plakaten in Berlin zu lesen war: Nie wieder Krieg gegen Russland!

Mochte die Bevölkerung mit ihrem Leid und ihren Sparguthaben für den schrecklichen verlorenen Krieg zahlen, für die deutsche Kriegsindustrie und die deutschen Rüstungsunternehmen gibt es bis heute viel Arbeit und viel zu verdienen wie für

  • Krupp/auch vormals unter den Nazis schon Krupp,
  • die August-Thyssen-Hütte AG – Vereinigte Stahlwerke, dann nach Thyssens Schweiz-Flucht von den Nazis enteignet und an Hugenberg übertragen/heute Thyssen-Krupp,
  • Diehl/vormals Bodenseewerk Gerätetechnik und Diehl,
  • Rheinmetall/vormals Borsig und Teile der Mauser-Werke,
  • Heckler und Koch/gegründet von Mitarbeitern der Mauser-Werke,
  • Krauss Maffei Wegmann/vormals Wegmann und Krauss-Maffei,
  • Daimler/vormals Daimler-Benz AG,
  • Airbus Defence/vormals in Nazi-Deutschland: Siebelwerke, Dornier-Werke, Hamburger Flugzeugbau, Messerschmitt, Focke-Wulf Flugzeugbau AG, Weser-Flugzeugbau GmbH.

Gerne wurden Zwangsarbeiter eingesetzt, um das Potential an deutschen Soldaten nicht unnötig durch die Fertigung der Rüstungsobjekte zu schwächen.

Die Menschen in Deutschland, Europa und der Welt haben schwer gelitten unter den eingesetzten Waffensystemen. Menschen haben schwer gelitten unter der ausbeuterischen Waffenproduktion, die sie um ihre Gesundheit und auch um ihr Leben brachte. Die Hersteller wie Krupp und Diehl und Daimler und Consorten sind schnell wieder auf die Beine gekommen. Sie wurden geschont und heimlich unterstützt und mit Aufträgen versorgt. Sie wurden ja gebraucht in einer aggressiven Allianz mit ihrer reichen Erfahrung und ihrer innovativen Rüstungstechnik.

Unter härtesten Bedingungen war deutsches Kriegsgerät so erfolgreich, waren so innovative Waffensysteme zu Wasser, zu Lande und in der Luft gefertigt worden, dass nach der Niederlage 1945 die Alliierten nichts Eiligeres zu tun hatten, als deutsche Technik und deutsche Techniker unter ihre Fittiche zu nehmen und nach einer relativ kurzen Anstandspause mit Aufbau der Bundeswehr und Ausbau der NATO die alten Aktivitäten wieder aufleben zu lassen.

Anfang dieses Jahres waren vor dem Reichstagsgebäude Goldene Nasen ausgestellt. Sieben Nasenskulpturen der öffentlichen Kunstausstellung zeigten die überdimensionalen Goldenen Nasen, die sich sieben Manager der deutschen Rüstungs- und Militärfahrzeugindustrie verdient hatten. Herr Heeschen von Heckler und Koch, Herr Haun von Krauss-Maffei Wegmann, Herr Gerwert von Airbus Defence, Herr Günther von Diehl Defence, Herr Hiesinger von Thyssen-Krupp, Herr Papperger von Rheinmetall und Herr Zetsche von Daimler stellten sich mit ihrer Goldenen Nase unübersehbar den Abgeordneten, vielen Besuchergruppen und Schulklassen und der Bevölkerung vor.

Das alte Wort „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen“ ist schwierig umzusetzen, wenn die Taten im Verborgenen geschehen und erst mit einem Nachlauf von vielen Monaten den Abgeordneten und der Bevölkerung zur Kenntnis gebracht werden müssen. Deshalb macht es im Rüstungssektor Sinn, angesichts wunderbarer Jahresbilanzen für schreckliche Geschäfte mit Leid und Tod den Satz daneben zu setzen: An ihren Goldenen Nasen sollt ihr Sie erkennen!

Die Profiteure des Todes können mit der Not und dem Sterben von Menschen Geschäfte machen, weil sich Bundesregierung und Parlamentsmehrheit trotz gegenteiliger Erklärungen weigern, auf Rüstungsexporte in Krisengebiete zu verzichten.

Es heißt im Grundgesetz Artikel 26:

Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.

Darunter fällt zweifelsohne auch der Handel mit Kriegsgerät und Waffen. Über 80 Prozent der deutschen Bevölkerung sprachen sich in einer aktuellen TMS-Emnid-Umfrage 2016 sogar für die unübersehbare Verankerung eines Verbots von Kriegswaffen-und Rüstungsexporten im Grundgesetz aus!

Die Bundesregierung genehmigte 2015 die Ausfuhr von Kriegswaffen und Rüstungsgütern im Wert von fast 13 Milliarden Euro – das ist nicht weniger, sondern mehr als jemals zuvor!

Im Martin-Gropius-Bau in Berlin war die Ausstellung von Isa Genzken mit dem Titel „Mach dich hübsch“ zu sehen. Im Foyer zur Ausstellung fanden sich riesige Bilder von „hübsch“ gemachten Ohren.

Wir wünschen uns von denen, die in diesem Land Verantwortung tragen, hübsch gemachte, gespitzte und vor allem saubere Ohren, damit die Schreie der Opfer und der Protest der Bürgerinnen und Bürger gehört werden können!“


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