
Schwerte. Martha ist mal wieder ausgerutscht. Ihr Gatte Jupp ist passionierter Stehpinkler, ein militanter dazu. Er steht vor der Keramik, mit der WAZ in der Hand, alle sechs Strophen des Steigerliedes singend und entleert seine Blase. Nicht ohne sichtbare Folgen. Seit 65 Jahren Ehe putzt Martha Kowalski in ihrer Wohnung in Gelsenkirchen-Nord die Spuren ihres Mannes im Bad weg. Sie hat genug! Der Jupp muss weg! Aber wie?
Dr. Herbert Knorr ist auf großer Lesetour mit seiner im September 2016 erschienen Ruhrgebietsgroteske „Schitt häppens. Von Serienmördern und Stehpinklern“ und gastierte am Donnerstagabend in der Rohrmeisterei. An seiner Seite der Lyriker und Kabarettist Fritz Eckenga. Sie lasen Kostproben aus Knorrs neuem Werk und die Zuhörer bekamen in den mehr als zwei Stunden das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. „Ich habe mich beömmelt“, resümierte der Schwerter Poet Torsten Trelenberg – und da war er nicht der einzige.
Der Obstler stand bereit – und er spielte nicht nur eine dramaturgische Rolle. „Das ist echter Zillertaler Berganbauobstler, selbst angebaut. Der ist 51-prozentig. Den kann man aus jedem Glas trinken“, erklärte Herbert Knorr. Darauf genehmigten sich die zwei Herren erst einmal ein Pinneken. In den Genuss dieses Hochprozentigen Getränkes kam auch der einzig bekennende Schalke-Fan im Saal, eingeschenkt von Fritz Eckenga persönlich.

Fritz Eckenga schenkte nicht nur sich und Herbert Knorr ein Pinneken vom „Selbstgebrannten“ ein, sondern auch dem einzigen bekennenden weiblichen Schalke-Fan. Foto: Christel R. Radix
Kein Callboy – Der Jupp muss weg!!!
Ja, der Jupp, er war ja mal ein toller Hecht, doch das war in einem anderen Zeitalter. Jetzt hat der wortkarge Jupp Prostata, poliert seine Seilschaft aus der Zeche, füttert seine Täubkes oder ist inne Kneipe und die 86-jährige Martha weiß mit ihrer hitzigen Libido nicht wohin. Ihre Freundin Emma schlägt ihr einen Callboy vor. Das ist nix für Martha. Der Jupp muss weg! Sie sucht Geschichten über Mord und Totschlach, um für sich die richtige Art und Weise herauszufinden, wie sie ihren Jupp über die Emscher bringen kann, ohne dafür ins Gefängnis zu kommen.
Skurrile Stories von skurrilen Ruhrgebietstypen unterbreiten Herbert Knorr und Fritz Eckenga dem Publikum. Martha erzählt aus der Ich-Perspektive in deftigem Ruhrgebietsslang, in anderen Geschichten verzichten die köstlich unterhaltenden Vorleser auf die Mundart. Es geht um echte Ruhrgebietstypen, die Herbert Knorr wie auch Fritz Eckenga haargenau zu kennen scheinen.
Witzige und groteske Geschichten begeistern
Heftig und auch deftig, schön und auch schrill, absurd, schräg, hier und da etwas zotig wird von schrägen Ruhrgebietstypen erzählt. Da wird die im Ruhrgebiet tätige italienische Mafia bemüht, Leichen werden einbetoniert, 23 „Ausweichfrauen“ werden um die Ecke gebracht, Martha fährt mit heruntergelassener Hose auf Skiern den Abhang im Zillertal hinunter, ein 87-jähriger rutscht beim Versuch im Sitzen zu pinkeln in die Emscher und ertrinkt, ein Ein-Meter-Fünfzig großer Psychologe, „der Heiopei“, verliert durch brachiale Gewalt sein Leben. Und der bekennende BVB-Fan Fritz Eckenga las unter anderem aus seinem Blau-weißem (!) Buch „Draußen rauchen ist Mord am ungeborenen Baum“ über Event-Pissoires an Raststätten in denen Mann sich literarisch bilden kann… Und ob Martha ihren Jupp tatsächlich über die Emscher gebracht hat? Der geneigte Leser wird es erfahren.
Dr. Herbert Knorr, seines Zeichens Krimiautor, Chef des Westfälischen Literaturbüros Unna und einer der Leiter des Krimi-Festivals „Mord am Hellweg“ und Fritz Eckenga, Kabarettist und Lyriker, ausgezeichnet mit dem Literaturpreis Ruhr 2011, bescherten den Zuhörerinnen und Zuhörern einen kurzweiligen Abend mit ihren mörderischen Stories aus dem Ruhrpott. Es war keine platte, sondern eine höchst unterhaltsame Lesung, mit prall gefüllt mit witzigen, grotesken Geschichten. Die Akteure Eckenga und Knorr begeisterten.