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Joseph K. (Ingo Löwen) wird von den Wächtern Willem (Wolfgang Klein), re. und Franz (Tobias Friedrich) am Morgen seines 30. Geburtstages verhaftet. Foto: Christel R. Radix
Schwerte. „Wir leben doch in einem Rechtsstaat. Man kann mich doch nicht einfach so überfallen“, äußert sich überrascht Joseph K., dargestellt von Ingo Löwen, der am Morgen seines 30. Geburtstags verhaftet wird. Das Theater am Fluss (TaF) spielt „Der Prozess“ von Franz Kafka nach der Bearbeitung von Hansjörg Haaser und feierte am Freitag, 20. Mai, in der Theaterhalle 4 der Rohrmeisterei Premiere.
Es ist die Geschichte von Joseph K., einem Prokuristen einer Bank, die erzählt wird. Noch vor dem Frühstück wird er verhaftet. „Vielleicht stecken die Kollegen der Bank dahinter, weil heute mein 30. Geburtstag ist“, vermutet er. Ein groteskes Drama nimmt nun seinen Lauf. Ungewiss bleibt, was der Grund der Verhaftung ist. K. wird auch nicht inhaftiert. Er kann und soll weiterhin seiner Arbeit nachgehen. Doch die Verhaftung und der anstehende Prozess nagen an ihm. Er wird unkonzentrierter bei der Arbeit und ist verzweifelt bemüht, den Dingen auf den Grund zu gehen. Er fühlt sich unschuldig und dennoch rechtfertig er sich.
Ein jeder ist involviert
Konzentriert wird sich gänzlich auf den einjährigen Irrweg mit unheilvollem Ende des Bankprokuristen. Ein undurchsichtiger Gerichtsapparat, der ihm den Prozess macht. Bis auf Joseph K. scheint jeder involviert, scheint Bescheid zu wissen, von der Kellnerin bis zur Geistlichen, die ihm die Türhüter-Legende „Vor dem Gesetz“, ein Gleichnis von einem Landmann, dem lebend der Eingang zum Gesetz verweigert wird, eine der Schlüsselszene, erzählt – K. zweifelt, denn: „Das Gesetz sollte doch jedem zugänglich sein.“
K. wird als Opfer wahrgenommen, obwohl er karrieresüchtig, schnellen sexuellen Begegnungen mit dem weiblichen Geschlecht nicht abgeneigt scheint – ansonsten aber recht sozial daherkommt. Lars Blömer, Regie, Technik und Bühnenbild, hat die surreale Handlung auf 100 Minuten verdichtet. Die kargen Bühnenbilder wechseln ständig, untermalt von drängender Musik, und lenken die Zuschauer nicht ab.
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Joseph K. wird von Onkel Karl beim sexuellen Akt mit Leni überrascht. Foto: Christel R. Radix
Bravouröse schauspielerische Leistungen
26 Schauspieler auf 19 Rollen verteilt, dazu zwei im Video, sprechen hoch theatralisch, spielen ihre Rollen mit Bravour. Silke Auer in einer Doppelrolle, erfüllt als Frau Grubach in Kittelschürze die Klischees einer Zimmervermieterin, und als Geistliche bemängelt sie in der Türsteher-Legende eindringlich die Denkansätze des Joseph K. Obwohl bettlägerig ist auch Advokat Huld (Martin Bestgen), mit hanseatischem Dialekt, ein Teil des Systems. Leni (Sarah Pennisi), seine Hausangestellte, drängt sich K. auf und die beiden beginnen eine sexuelle Liaison. Herbert Hermes als Onkel Karl, der K. beim sexuellen Akt mit Leni überrascht, glaubt an die Unschuld seines Neffen und scheut keine Kosten und Mühen ihm zu helfen. Der schwuchtelig daherkommende Porträtmaler Titorelli (Michael Rotthowe), ist auch Gerichtsdiener, kennt viele Leute bei Gericht und soll K. als Helfer beistehen. Wolfgang Klein und Tobias Friedrich, als Wächter und Henker schwarz gekleidet mit Sonnenbrillen, sind die Parodien von Türstehern im Milieu, die nicht nur austeilen, sondern auch einstecken müssen.
Leider war die Premiere kein Publikumsmagnet – sie hätte es verdient gehabt.
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Joseph K. und Onkel Karl suchen bei Beistand bei dem Advokaten Huld. Foto: Christel R. Radix
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Der Porträtmaler Titorelli soll Joseph K. beim Prozess helfen. Foto: Christel R. Radix
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Die Wächter müssen auch einstecken. Foto: Christel R. Radix
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Joseph K. kurz vor der Exekution. Foto: Christel R. Radix
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Weitere Aufführungen: Samstag, 21. Mai, Montag, 23. Mai, Dienstag, 24. Mai, Donnerstag, 26. Mai, Freitag, 27. Mai, jeweils 19.30 Uhr in der Theaterhalle 4 der Rohrmeisterei.
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Premiere des letzten Stückes der aktuellen Spielzeit „Menschliches, Allzumenschliches, Heiteres und Nachdenkliches für freie Denker“ ist Dr. Jekyll und Mr. Hyde nach Robert Louis Stevenson von B.K. Jerofke, am 24. Juni 2016, 19.30 Uhr a.a.O.