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Innovation am Klavier: „Queenz of Piano“ meistern Grenzgang zwischen Klassik und Pop

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Unglaublich vielseitig präsentierten sich die „Queenz of Piano“ Anne Folger und Jennifer Rüth (v.l.). Fotos: Nadine Przystow

Schwerte. „Zeitgeist, Rhythmus und Visionen“ lautet das Motto der 61. Schwerter Kleinkunstwochen. Im Programm „Tastenspiele“, mit dem die „Queenz of Piano“ am Freitag in der Rohrmeisterei gastierten, war alles drin. Zeitgeist, weil die beiden Damen wissen, dass klassische Musik allein heute einfach nicht mehr zieht. Rhythmus, weil sie nicht nur in die Tasten hauen, und Visionen, weil sie neue Klangwelten schaffen. Gepaart mit kabarettistischen und akrobatischen Einlagen sowie sanfter Gesellschaftskritik haben sie sich in jedem Fall als mögliche Preisträgerinnen qualifiziert – sofern die Abstimmquote der 320 Besucher ausreicht.

Das Klavier war nicht das einzige Instrument, das die Damen spielten.

Dass der Abend nicht klassisch im klassischen Sinne werden würde, zeigte das Duo gleich mit dem ersten Stück. Während Jennifer Rüth die Saiten ihres Flügels zupfte, spielte Anne Folger gegenüber mit der einen Hand Klavier und mit der anderen die Melodica. Und das sollte nicht das einzig ungewöhnliche Zusammenspiel sein: Im Korpus versteckten sich noch Rassel, Tambourin, Xylophon und Synthesizer. Aber auch das Klavier selbst hat mehr als nur seine Tasten zu bieten. Ein Plastikdeckel, Nagel und Milchaufschäumer huschen über die Saiten und erzeugen Klänge wie bei einem Waschbrett oder einer Gitarre und trommeln lässt es sich auf dem großen Schwarzen ebenfalls.

Kabarett am Klavier

Akrobatik am Klavier.

All das verlangten die Queenz ihrem Hauptinstrument bei einer feurigen Samba ab. Die Hände flogen nur so über die Tasten und der gesamte Körper war in Bewegung. Für die renommierten Pianistinnen gibt es scheinbar keine Position, in der sie nicht spielen können – ob sitzend auf dem Flügel oder auf dem Rücken liegend, im Ton vergreifen sie sich nicht. Dazu können die Damen auch noch singen und unterhalten zwischen den Stücken mit Wortwitz und kabarettistischer Attitüde. Zum Beispiel führten sie den allgemeinen Sparwahn in Sachen Kultur anhand Mozarts Türkischem Marsch vor, der einfach mal um sämtliche Vorzeichen, Pausen, Halbtöne und Wiederholungen gekürzt wurde – ganz im Sinne der Effizienzsteigerung und Kostensenkung. Passend dazu gab es dann auch kein Bühnenlicht, sondern lediglich Stirnlampen.

Die Queenz forderten das Publikum unter anderem zum gemeinsamen Scatgesang auf.

Die Mischung macht‘s

Rüth und Folger heben die Klassik auf kein Podest, im Gegenteil: Sie bringen sie auf Augenhöhe mit anderen Musikrichtungen und befreien sie damit von ihrem elitären Image. So wird aus der doch eher schwermütigen „Ode an die Freude“, Beethovens neunte Symphonie, in Verbindung mit dem Popsong „Happy“ ein lebendiges Stimmungslied. Kurt Cobains „Smells Like Teenspirit“ klingt hingegen auch mit Choral und vierstimmiger Fuge im Stil Johann Sebastian Bachs noch immer richtig gut. Ja, sogar der Blues sei ein Beispiel für die gelungene Integration. Denn die Bluenotes mussten sich erst in das traditionelle Tonleitersystem des Westens einfügen.

Auch präsentierten die Queenz selbst komponierte, meist ruhigere Stücke wie Folgers „Lauf, Mädchen, lauf“, das auf Chopins Opus 25 Nr. 12 basiert. Bei der Zugabe wurden dann noch Cajon und Geige ausgepackt, bevor der Abend mit einer Collage aus internationalen Schlafliedern endete. Zwar animierten die Musikerinnen das Publikum während der Show immer wieder zum Mitklatschen, aber so ganz konnten sich die Schwerter wohl von den Regeln eines klassischen Konzertes nicht lösen.


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